Wenn der Körper Nein sagt – aber wir es nicht merken

 

Wie Körpersprache, Symptome und Rückzug stille Grenzsignale senden –
im Licht der Polyvagal-Theorie

 

Kennst du das?


Du sitzt in einem Gespräch, spürst plötzlich einen Druck im Bauch, ziehst unbewusst die Schultern hoch oder merkst, dass du am liebsten einfach verschwinden würdest.
Und trotzdem sagst du: „Alles gut.“

 

Unser „Nein“ ist oft vielschichtiger, als wir denken. Es spricht nicht nur durch Worte, sondern zuerst durch unseren Körper. Als Körperpsychotherapeutin begegnen mir diese stillen, verkörperten Neins täglich – in Haltung, Mimik, Symptomatik oder im Verhalten meiner Klient:innen.

 

Warum wir oft nicht Nein sagen (können)

Viele von uns haben früh gelernt, dass ein „Nein“ unerwünscht, gefährlich oder folgenreich sein kann – etwa wenn es in der Kindheit ignoriert, übergangen oder bestraft wurde.


Stattdessen hat unser Körper gelernt, indirekte Wege zu finden, um Grenzen zu setzen. Wege, die sich nicht im Dialog zeigen – aber im Nervensystem, in Muskelspannungen, im Rückzug oder in psychosomatischen Beschwerden.

 

Die Polyvagal-Theorie von Stephen Porges liefert hier ein hilfreiches Verständnis: Sie beschreibt, wie unser autonomes Nervensystem ständig „scannt“, ob wir in Sicherheit sind – und je nach Wahrnehmung Schutzstrategien aktiviert: Kampf, Flucht oder Rückzug (Shutdown).

 

Die 5 Ebenen des verkörperten „Nein“

 

1. Explizite Zeichen – wenn der Körper protestiert

Mimik, Haltung und Gestik zeigen, was Worte (noch) nicht sagen:

  • Stirn runzeln, böser Blick
  • Arme verschränken
  • Fuß aufstampfen
  • Sich abwenden
    Hier ist der Mensch noch im Kontakt, aber innerlich auf dem Sprung.

2. Somatische Abwehr – der Körper rebelliert

Plötzlich auftretende körperliche Symptome, die oft keinen „äußeren“ Sinn ergeben:

  • Herzklopfen, Übelkeit, Engegefühl
  • Harndrang, Zittern, Kloß im Hals
  • Verspannungen, Zähneknirschen, Schlafstörungen
    Das Nervensystem schlägt Alarm ein biologisches Nein, meist unbewusst.

3. Rückzug & Vermeidung – wenn Nein durch Abwesenheit geschieht

  • Gespräch ignorieren, nicht antworten
  • Treffen absagen, vergessen
  • Dissoziation („in Watte“)
    Hier schützt sich das System durch dorsale Abschaltung (Shutdown)
    der Mensch entzieht sich, ohne aktiv zu konfrontieren.

4. Emotionale Spannungen – das innere Nein ohne Sprache

  • Reizbarkeit, Unruhe, depressive Verstimmung
  • Weinen ohne erkennbaren Grund
  • Selbstkritik, Zynismus, Unzufriedenheit
    Der Konflikt wird emotional ausgetragen, ohne in ein bewusstes Nein
    zu münden. Viel innerer Druck – wenig Ausdruck.

5. Sozial getarnte Neins – der höfliche Selbstverrat

  • „Vielleicht später…“, obwohl es Nein bedeutet
  • Lachen, um Spannung abzubauen
  • Übertriebenes Zustimmen, um nicht anzuecken
    Ein funktionierendes, aber nicht authentisches Verhalten. Soziale Anpassung
    statt Selbstanbindung.

Was brauchen wir, um wieder „Nein“ sagen zu können?

Ein echtes, verkörpertes Nein entsteht aus Verbindung mit uns selbst – nicht aus Trotz, nicht aus Angst.
Dafür brauchen wir:

  • Körperspürbewusstsein: Wo zieht sich etwas zusammen? Wo wird es eng? Wo weicht meine Energie?
  • Sichere Beziehungen, in denen ein Nein erlaubt und willkommen ist
  • Therapeutische Räume, in denen auch unausgesprochene Neins erkannt und gewürdigt werden

In meiner Arbeit begleite ich Menschen dabei, ihr Nervensystem zu regulieren, alte Schutzmuster zu verstehen – und Schritt für Schritt wieder ihr authentisches Nein zu finden.

Denn: Ein echtes Nein ist die Grundlage für ein echtes Ja.

 

Impuls zur Selbstwahrnehmung:

Wann hast du das letzte Mal Ja gesagt, obwohl dein Körper eigentlich Nein meinte?

Wenn du spürst, dass dein Körper dich auf Grenzen aufmerksam macht – aber du noch keinen Weg gefunden hast, sie auszudrücken: Du bist nicht allein. 
Und du darfst lernen, deinem Körper wieder zu vertrauen.

 

Möchtest du dein inneres Nein besser spüren und ausdrücken lernen?
Dann begleite ich dich gerne auf deinem Weg – online oder in meiner Praxis.

 

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